035: Das kleine Eichhörnchen Hagen erwacht heute etwas unsanft aus seinem Schlaf. Doch sein Irrtum am Morgen bewarheitet sich zwar nicht auf seiner Nase, sondern auf der Wiese… Was das jetzt bedeutet? Dann lies mal weiter…
Frodelinde – Abenteuer im Wald Band 2
Ganz langsam kriecht die Sonne hinter dem Horizont hervor. Erst merken die Tiere und Pflanzen auf den Wiesen und Feldern, dass der Tag erwacht und dann steigt die Sonne höher und kitzelt mit ihren Strahlen an den Blattspitzen der Bäume. Nun beginnt auch für die tagaktiven Tiere im Wald der Morgen.
Ein Sonnenstrahl verirrt sich in eine kleine Kugel, die hoch oben in einem der Waldbäume hängt. Die Kugel ist aus Ästen gebaut, innen hohl und hat vorne eine kleine, runde Öffnung. Und genau in diese kleine Öffnung verirrt sich der neugierige Sonnenstrahl und trifft mittig auf Hagens kleine Stupsnase.
Schläfrig öffnet das junge Eichhörnchen ein Äuglein und schielt auf seine Nasenspitze, die durch den Sonnenstrahl orange leuchtet. Schnell macht es das Äuglein wieder zu. Es kann doch nicht das sein, was es denkt… Nein, das muss ein Traum sein. Oder doch nicht? Vorsichtig öffnet Hagen jetzt beide Augen und schielt auf seine Nasenspitze. Doch, tatsächlich, sie leuchtet knallorange.
Mit einem Satz springt Hagen auf und fängt an zu brüllen: „Meine Nase brennt! Hilfe, Wasser, ich brauche Wasser! Meine Nase brennt!“ Panisch hüpft er durch seinen Kobel (so nennt man die Kugel aus Ästen, die Hagens zu Hause ist) und findet in der Hektik gar nicht den Ausgang.
Draußen um den Kobel herum wird es ebenfalls hektisch und laut. Die ersten Vögel, die auch von der Morgensonne geweckt wurden, scharren sich neugierig um Hagens Kobel.
„Meint ihr wirklich, es brennt im Wald?“, fragt der kleine Kleiber, der die Buche, in der Hagens Kobel hängt, herauf gelaufen kommt.
„Ich rieche jedenfalls keinen Brandgeruch“, antwortet der Buntspecht Dieter, der vom Nachbarbaum angeflattert kommt. „Ich schaue aber besser mal nach.“
Er fliegt zum Eingang des Kobels und schaut vorsichtig hinein. Drinnen rennt Hagen immer noch schreiend panisch im Kreis und findet den Ausgang nicht.
„Klopf, klopf, jemand zu Hause?“, ruft der Buntspecht dem Eichhörnchen zu.
Erschrocken bleibt Hagen stehen und starrt den Specht an, der seelenruhig im Eingangsbereich hockt. „Hast du Wasser zum Löschen dabei?“, fragt er dann verzweifelt.
„Hagen, deine Nase brennt nicht“, erklärt Dieter ganz trocken.
„Doch, doch, ganz sicher!Ich habe es doch mit beiden Augen selbst gesehen! Da lodert ein oranges Feuer auf meiner Nase!“, widerspricht Hagen.
„Hast du denn Schmerzen und siehst du das Feuer immer noch?“, hakt Dieter nach.
„Äh“, Hagen schielt jetzt nochmal auf seine Nasenspitze, „ne, mir tut nichts weh und oh, komisch, meine Nase brennt auch gar nicht mehr.“
Verdutzt hält er inne. Der Buntspecht schüttelt belustigt seinen Kopf.
„Ach Hagen, dass war bestimmt nur die Morgensonne, die deine Nase verfärbt hat. Und schläfrig wie du warst, hast du gedacht, deine Nasenspitze brennt.“ Dieter breitet seine Flügel aus und fliegt auf einen dicken Ast.
„Ey Leute, hört mal her, Fehlalarm! Hier brennt nichts und ihr könnt alle wieder eurem Tagesgeschäft nachgehen. Das war alles nur ein kleiner Irrtum!“, ruft er dann der versammelten Vogelschar zu.
Aufgeregt zwitschernd flattern die Waldvögel davon und auch Dieter fliegt zu einem morschen Baum, um dort weiter nach Insekten, seinem Frühstück, zu suchen.
Hagen sitzt derweil verdattert in seinem Kobel und muss die gute Nachricht, dass es gar nicht brennt, erstmal verdauen.
Einige hundert Meter weiter liegt im Dickicht versteckt eine grau-braune Kugel, die man auf den ersten Blick für einen moosigen Stein halten könnte. Doch dieser Stein bewegt sich plötzlich und unter ihm erscheinen vier stakselige Beine. Es ist Frodelinde, die Wildsau, die sich nach ihrer nächtlichen Futtersuche ein wenig ausgeruht hat. Von der ganzen Aufregung um Hagen hat sie gar nichts mitbekommen.
Frodelinde reckt und streckt sich und beschließt, zu der Eiche am Waldrand zu zockeln, um noch ein paar Eicheln zu naschen, die jetzt im Herbst zahlreich auf dem Boden zu finden sind. Es ist eine alte Eiche, die schon mindestens hundert Jahre alt ist und einer von Frodelindes Lieblingsbäumen. Manchmal geht sie einfach nur zu ihr hin, schubbert ihren Rücken am Stamm und grunzt der Eiche vor, was sie am Tag erlebt hat. Irgendwie sind die beiden Freunde.
Auch heute stupst die Wildsau zur Begrüßung einmal liebevoll mit der Schnauze gegen den Eichenstamm, bevor sie beginnt, die köstlichen Eicheln am Fuße des Stammes zu sammeln.
Frodelindes Bauch wird voller und voller als sie plötzlich inne hält und ihre Nase in die Luft reckt. Hier riecht doch etwas sehr komisch… Sie hebt ihren Kopf und schaut sich um. Gleich hinter dem Wald und der Eiche erstreckt sich eine große Wiese. Da es in den letzten Wochen kaum geregnet hat, ist das Gras auf der Wiese sehr trocken und braun.
Der komische Geruch scheint vom anderen Ende der Wiese zu kommen. Dort grenzt eine wenig befahrene Straße an die Grünfläche. Frodelinde läuft durch das Gras in die Richtung des Geruchs. Erschrocken bleibt sie stehen. Im hohen Gras liegt eine glühende Zigarette und die ersten trockenen Grashalme haben schon angefangen zu brennen! Panik erfasst die Wildsau! So ein Feuer kann sich rasend schnell ausbreiten und ruckzuck kann die Wiese und dann der angrenzende Wald in Flammen stehen.
Was soll Frodelinde nur tun? Sie überlegt fieberhaft. Am besten holt sie Hilfe! Die Wildsau rast Richtung Wald vorbei an der Eiche. Frodelinde hat das Gefühl, dass die Eiche sie bittend anschaut. Im Vorbeirennen ruft Frodelinde ihr zu: „Ich rette dich, keine Sorge, dass Feuer wird dich nicht erreichen!“
Kurz darauf steht die Wildsau unter dem Kobel von Hagen.
„Hagen, es brennt, ich brauche deine Hilfe“, ruft Frodelinde den Baum hinauf.
Das kleine Eichhörnchen steckt seinen Kopf aus seinem Häuschen.
„Sehr witzig, Frodelinde. Ich weiß inzwischen, dass meine Nase nicht brennt und finde es doof, wenn du dich über mich lustig machst.“
„Äh, wieso lustig machen? Nein, wirklich, jemand hat eine glühende Zigarette auf die Wiese geworfen und das Gras brennt schon! Wir müssen Hilfe holen, damit der Wald nicht brennt! Es ist doch alles so trocken durch den fehlenden Regen!“, erklärt die Wildsau aufgeregt.
Jetzt ist Hagen putzmunter. Der Wald ist in Gefahr! Wie können sie nur Hilfe holen? Da hat er eine Idee. Nur ein kleines Stück weiter am Waldrand wohnt ein alter Mann, den Hagen manchmal in seinem Garten besucht. Dann sitzt der Mann auf seiner Gartenbank und nascht ein paar Nüsse und Hagen sitzt neben ihm im Haselnussstrauch und nascht auch eine Nuss. Dieser Mann wird ihnen bestimmt helfen!
Hagen hüpft auf einen dicken Ast und schreit so laut es geht in den Wald hinein: „Alle mal herhören! Wir brauchen eure Hilfe! Die Wiese brennt! Wir müssen zu dem alten Mann und ihn darauf aufmerksam machen, damit er die Feuerwehr ruft!“
Skeptisch kommen die ersten Vögel angeflattert. Sie sind sich nicht sicher, ob sich Hagen mal wieder geirrt hat. Aber als Frodelinde Hagens Aussage bestätigt, glauben ihm alle.
Gemeinsam machen sie sich auf den Weg zum alten Mann. Da sind Frodelinde, die Wildsau, Hagen, das Eichhörnchen, Dieter, der Buntspecht und viele Waldvögel, Mäuse und andere Eichhörnchen, die den Wald retten wollen. Kurz darauf stehen sie bei dem alten Mann im Garten und Hagen hüpft auf eine Fensterbank und schielt durch das Fenster in das Haus. Drinnen steht der Mann gerade in der Küche und kocht sich einen Tee.
Aufgeregt klopft Hagen gegen das Fenster. Verdutzt öffnet der Mann das Fenster und sieht die vielen Waldtiere in seinem Garten. Er weiß gar nicht, was los ist. Hagen hüpft in das Haus und setzt sich auf das Handy von dem Mann und stupst immer wieder mit der Nase dagegen.
Ein Glück versteht der Mann sehr schnell, was Hagen damit sagen will und steckt sich das Handy in die Tasche. Dann klettert das Eichhörnchen wieder aus dem Fenster und deutet zusammen mit den anderen Waldtieren an, dass der Mann ihnen folgen soll. Schnell schlüpft er in seine Gummistiefel und folgt dann der Tierschar am Waldrand entlang Richtung Wiese.
Das Feuer hat sich inzwischen ausgebreitet und es brennen schon einige Quadratmeter Gras. Glücklicherweise ist es heute windstill, so dass der Wind das Feuer nicht schneller über die Wiese treibt.
Schon von Weitem erkennt der alte Mann, was ihm die Tiere sagen wollen. Schnell holt er sein Handy aus der Tasche und wählt die Nummer 112. Am anderen Ende meldet sich sofort die Feuerwache. Der Mann erklärt dem Feuerwehrmann, wo es brennt und es dauert nur einige Minuten, da hören sie von Weitem sich nähernde Feuerwehrautos.
Frodelinde, Hagen und die anderen Tiere ziehen sich in den Schutz des Waldes zurück, während die Feuerwehrleute sofort beginnen, das Feuer zu löschen. Es dauert ganz schön lange, bis das Feuer gelöscht ist und auch die Umgebung abgesichert ist, damit nicht doch noch ein letzter glühender Grashalm ein erneutes Feuer entfacht.
Als endlich alles erledigt ist und der Tag schon weit fortgeschritten ist, verabschieden sich die Feuerwehrmänner und -frauen von dem alten Mann.
Er schaut den abfahrenden Feuerwehrautos hinterher und geht dann zum Waldrand, wo im Schutz der Bäume die Tiere stehen.
„Danke, dass ihr mich gerufen habt! Ihr habt unser aller zu Hause gerettet!“, sagt der Mann zu den Tieren und nickt ihnen dankbar zu. Dann geht er zurück zu seinem Haus. Die anderen Tiere verteilen sich nach der Aufregung im Wald, um erleichtert ein Schläfchen zu halten. Nur Frodelinde hat noch etwas anderes vor. Sie geht zu ihrer Freundin, der alten Eiche, und schubbert ihren Rücken an dem Stamm. „Danke“, hört sie es da von dem Baum flüstern.