052: Hast du den Titel dieser Geschichte gelesen? Lucky, das Einhorn. Na, wunderst du dich schon, was das zu bedeuten hat? Gibt es jetzt etwa ein Einhorn, das auch Lucky heißt? Oder ist Lucky jetzt vielleicht ein Einhorn? Fragen über Fragen… Um die Antwort zu bekommen, hör dir am besten gleich die Geschichte an! Viel Spaß dabei!
Das Beitragsbild zu dieser Geschichte hat mir Liane, 5 Jahre alt, gesendet. Sie hat aus einem Pferde-Poster eine Collage gebastelt und jetzt ist das Pferd ein Einhorn mit Flügeln. Was für eine wunderbare Idee! Danke, liebe Liane, das ist wahres Kunstwerk!
In der Geschichte kommt auch ein Mäusebussard vor. Damit du weißt, wie dieser heimische Greifvogel aussieht, habe ich dir hier ein Foto eingefügt.
Freddie und Lucky Band 12 – Lucky, das Einhorn
Und wieder ist so ein typisch trister Tag im Winter. Lucky, das Zauberpferd, lässt seinen Kopf aus dem offenen Stallfenster hängen und schaut in die trübe Landschaft. Wirklich hell ist es an diesem grauen Februartag noch nicht wirklich geworden. Die Bäume wiegen sich blattlos im Wind und das Gras auf der Weide hat auch schon mal in frischerem Grün gestrahlt. Und als ob das alles für einen tristen Tag noch nicht reicht, weht Lucky auch noch ein kalter Wind mit eisigem Wasserdunst um die Nüstern.
Heute morgen war schon der junge Mäusebussard an Luckys Stall vorbeigeflogen und hatte ihn ein wenig geärgert. „Na, wollen wir zusammen eine Runde fliegen? Das macht so ein Spaß bei dem Wind, juchhuuuuu”, hatte er gekreischt und dabei ein paar Pirouetten vor Luckys Nase gedreht.
„Sehr witzig”, hatte Lucky ihm hinterhergerufen. „Wenn ich wie mein bester Freund Freddie wäre, glaub mir, dann würde ich mich von Marie in einen Düsenjet verwandeln lassen und dann würden wir ja sehen, wer schneller fliegen könnte und die besseren Pirouetten drehen könnte.“ Und dann hatte er leise vor sich hingemurmelt: „Aber leider kann ich mich nicht in andere Formen verwandeln, auch wenn ich ein Zauberpony bin. Ach, wie langweilig…“
Der Mäusebussard war davon geflogen und Lucky war im Stall zurückgeblieben. Jetzt schaute er in die Ferne und fing dabei an tagzuträumen. Hach, wie es wäre, wenn er fliegen könnte! Er würde als erstes durch die weichen, wattigen Wolken fliegen um zu schauen, wie sich das anfühlt. Wer weiß, vielleicht sind die Wolken am Himmel auch klebrig? Oder sie sind wie weiße, flüssige Milch? Und dann würde er zum Haus von Marie und Benny fliegen und sich auf die Garage stellen, in der Freddie, das rote Rennmotorrad, untergestellt ist. Und dann würde er seinen Kopf von oben in die offene Garage halten und laut „Buh“ rufen. Ach, köstlich! Bei dem Gedanken daran, wie Freddie zusammenzucken würde, muss Lucky grinsen. Jaja, manchmal ist Lucky ein bisschen gemein, aber eigentlich hat er das Herz auf dem rechten Fleck. Keine Ahnung jedenfalls, wie lange Lucky schon aus dem Stallfenster schaut und träumt. Es muss schon eine Ewigkeit sein, denn die Schnoddertropfen an seinen Nüstern sind schon fast gefroren, als er aus seinen Träumen erwacht, seinen steifen Hals schüttelt und sich zurück in den warmen Stall wendet und zum Wassertrog wandert.
Flippi, die kleine Stallmaus, ist gerade am Wassertrog und führt ihre tägliche Körperpflege durch. Als Lucky sich dem Trog nähert, erstarrt Flippi zur Salzsäule.
„Alter, Flippi, jetzt tu mal nicht so, als ob du noch nie einen alten Gaul gesehen hast“, mault Lucky schlecht gelaunt die kleine Maus an. Die antwortet nicht, sondern starrt weiter auf Lucky. „Hallo? Hat es dir die Sprache verschlagen oder was?“, mault Lucky weiter.
„Entschuldigung, aber kennen wir uns?“, fragt die kleine Maus dann endlich verwirrt.
„Also jetzt wirst du aber auch langsam alt und senil“, lacht Lucky. Die kleine Maus versüßt ihm gerade wirklich den Tag. Was ist denn mit ihr los? „Man, Flippi, ich glaube, du bist noch nicht ganz wach, ich bin′s, Lucky“, erklärt das Zauberpony.
„Nein nein, du bist eindeutig nicht Lucky”, antwortet Flippi und starrt weiter Lucky an. „Ehrlich gesagt habe ich ein Tier wie dich noch nie gesehen. Ein Pferd mit Flügeln und bunter Mähne! Und dann auch noch mit Horn auf dem Kopf! Bist du ein Einhorn? Ich dachte, die wären immer weiß, aber du bist ja braun.“
Jetzt wundert sich Lucky aber doch etwas. Flügel? Horn auf dem Kopf? Bunte Mähne? Was ist denn mit Flippi los? Lucky dreht sich von Flippi weg, was soll er sich schließlich mit einer verrückt gewordenen Maus unterhalten? Doch plötzlich gerät er ins Stocken. Wieso kann er sich nicht im Stall drehen und stößt gegen die Wand? Der Stall ist doch groß genug für eine Umdrehung. Er schaut zur Seite um zu sehen, was ihm da im Weg ist, und bleibt erschrocken stehen. Seitlich von sich sieht er einen großen Flügel. Und als er auf die andere Seite schaut, sieht er noch einen großen Flügel. Und beide wachsen aus seinem Körper. Und jetzt sieht er auch noch aus den Augenwinkeln, dass ihm eine bunte Mähne vom Kopf hängt! Hiiiiiiiilfe, was ist hier los? Jetzt bekommt Lucky aber doch etwas Panik. Mit seiner Schnauze öffnet er das Gatter zu seinem Stall und marschiert zügig durch den langen Gang im Stall. Er weiß, dass dort am Ende ein Spiegel hängt. Davor schminken sich immer die Reiterinnen und machen sich die Haare schön. Aber was Lucky da im Spiegel sieht, gefällt ihm überhaupt nicht! Tatsächlich, er hat mitten auf der Stirn ein Horn wachsen, umrahmt von einer bunten Mähne! Das kann doch wohl alles nicht wahr sein! Hier stimmt was nicht! Er ist zwar ein Zauberpony, aber sich selbst verzaubern kann er nicht. Wie kommt das alles bloß?
„Flippi”, ruft Lucky aufgeregt, „glaub mir, ich bin es Lucky. Jemand muss mich verzaubert haben. Ich renne jetzt schnell zu Marie, Benny und Freddie. Die können mir vielleicht helfen.“
Lucky sprintet aus dem Stallgebäude und will gerade richtig Tempo machen, als er merkt, dass seine Hufe plötzlich nicht mehr den Boden berühren und er höher und höher in die Luft steigt. Ganz automatisch haben seine Flügel angefangen zu schlagen als ob er nie etwas anderes getan hätte. Flippi steht in der Stalltür und schaut Lucky staunend hinterher.
Lucky hat inzwischen herausgefunden, wie er mit seinen Flügelschlägen die Richtung bestimmen kann und steuert gezielt auf das Haus von Marie und Benny zu. So ist es also zu fliegen! Das macht ja richtig Spaß! Gefühlt viel zu schnell ist das verzauberte Pony an seinem Ziel angekommen und landet gekonnt auf der Garage, die zufällig gerade offen steht. Ursprünglich hat er es sich in seinem Tagtraum doch etwas anders und souveräner vorgestellt wie er da auf der Garage steht und seinen besten Freund erschreckt. Doch jetzt zittern ihm vor Aufregung die Flügel.
Nanu, was rumpelt denn da auf dem Dach?, wundert sich Freddie. Er rollt aus der Garage und wirft einen Blick nach oben um gleich im nächsten Moment vor Schreck wieder rückwärts in die Garage zu rollen. Kann das sein was er da gesehen hat? Vorsichtig rollt er wieder vorwärts und schaut nochmals nach oben.
„Lucky, bist du das?“, fragt er dann zögerlich.
„Ja“, tönt es traurig von der Garage. „Ich weiß überhaupt nicht, wie das passieren konnte. Ich habe nichts gemacht!“
„Na, also von Nichts kommt sowas nicht“, brummt das Motorrad. „Wir sind beide erfahrene Zauberer und wissen, dass jeder Zauber eine Ursache hat. Und der gehen wir jetzt auf den Grund. Ich rufe erstmal Marie und Benny und dann suchen wir gemeinsam eine Lösung!“
Lucky wiehert erleichtert und fliegt vor das Garagentor. In dem Moment kommen auch schon die Geschwister Marie und Benny angerannt, die das Wiehern von Lucky gehört haben. Erstaunt schauen sie das verzauberte Pony an. Lucky erklärt kurz, wie er den Zauber entdeckt hat und dass er nicht weiß, wie das passieren konnte.
„Jetzt überleg noch einmal genau wem du heute morgen begegnet bist“, rät Marie dem Pony. „Vielleicht war ja ein Zauberer in deiner Nähe.“
„Nein“, antwortet Lucky. „Dem einzigen Wesen, dem ich heute begegnet bin, ist Flippi, die Maus. Und das war nachdem ich verzaubert wurde.“ Er steht verzweifelt mit gesenktem Kopf vor der Garage. Doch dann reißt er mit einem Ruck den Kopf nach oben und ruft: „Doch, wartet mal. Ganz früh am Morgen ist der junge Mäusebussard an meinem Stall vorbei geflogen und hat gerufen, dass ich doch mitfliegen soll. Und dann war er auch schon wieder verschwunden!“
„Dann haben wir doch eine heiße Spur!“, ruft Benny. „Lasst uns den Mäusebussard suchen und ihn fragen, ob er zaubern kann!“
Gemeinsam machen sich die vier Freunde auf den Weg Richtung Wald, der hinter der Rabenhöhe liegt. Marie fährt auf dem Rennmotorrad Freddie und Benny darf heute den Luxus des Fliegens genießen. Er reitet nämlich wie immer auf Lucky und da Lucky ein Einhorn mit Flügeln ist, fliegen sie durch die Lüfte. Ein paar Kinder, die auf dem Spielplatz spielen, schauen erstaunt in die Luft und laufen dann aufgeregt zu ihren Eltern, die ihnen mal wieder nicht glauben, dass sie ein echtes Einhorn gesehen haben und die Lucky im Gegensatz zu den Kindern auch nicht wahr nehmen können. Aber die Kinder wissen was sie gesehen haben und schauen Lucky grinsend und winkend hinterher. Marie hatte vor der Garage extra noch ein Foto von Lucky, dem Einhorn gemacht, damit sie einen Beweis für sich selbst hat, dass es Einhörner wirklich gibt. Sie will das Foto niemanden zeigen, denn sie möchte das Zaubergeheimnis ihres Freundes für sich behalten, aber für sich selbst zum Anschauen und Erinnern nutzt sie das Foto gerne.
Nach einer Weile kommen die vier am Wald an. Freddie und Marie parken am Waldrand. Sie haben gemeinsam beschlossen, dass Lucky und Benny über die Bäume fliegen und den Mäusebussard suchen. Sie sind leise und erschrecken die Waldtiere nicht im Gegensatz zu Freddie, dessen Motor laut brummt. Das Zauberpony fliegt ein paar Mal über die Baumwipfel bis auf einmal neben ihm ein Vogel auftaucht. Es ist der junge Mäusebussard, der das Einhorn schon eine zeitlang aus den Baumwipfeln beobachtet hat. „Wer seid ihr und was wollt ihr hier im Wald?“, fragt er Lucky und Benny. „Ich bin es, Lucky, das Pony von der Rabenhöhe. Erkennst du mich nicht?“, ruft Lucky erfreut, weil sie den Bussard gefunden haben.
„Ach ja, jetzt wo du es sagst, erkenne ich die Ähnlichkeit“, antwortet der Vogel. „Hast du Zauberkräfte? Hast du mich verzaubert?“, schleudert das Pony dem Vogel direkt an den Kopf. „Du bist der Einzige, dem ich heute begegnet bin.“
Jetzt ist der Vogel etwas perplex und denkt einen Moment nach. „Also meine Großmutter, die weise, weiße Mäusebussardfrau, sagt immer, dass ich genau wie sie auch Zauberkräfte habe und dass ich das mit zunehmenden Alter schon noch merken würde. Aber bisher haben meine Zaubersprüche nie funktioniert…“
„Und heute morgen, was hast du da gemacht? Hast du einen Zauberspruch ausgesprochen?“, fragt Benny aufgeregt.
„Nein, aber nachdem ich an Luckys Stall vorbei geflogen war habe ich mir vorgestellt, wie es wäre, mit Lucky durch die Lüfte zu fliegen. Und dabei ist mir ein Bild von einem Einhorn in den Kopf gekommen. Ich bin nämlich neulich über ein Kind hinweg geflogen und habe in der Zeitschrift, die sich das Kind angeschaut hat, ein Bild von einem Einhorn gesehen. Ihr wisst ja, dass ich scharfe Augen habe und aus großer Höhe alles auf dem Boden erkennen kann. Und während ich mir vorgestellt habe, wie es ist, mit Lucky zu fliegen, hat es sich so angefühlt, als würden wir das wirklich tun“, erklärt der Mäusebussard.
„Das ist es“, ruft Lucky freudig. „Du hast mich tatsächlich verzaubert. Manche können nämlich zaubern, indem sie sich etwas ganz intensiv vorstellen, so, als ob es real wäre. Und dann wird es Wirklichkeit! So hast du es gemacht! Jetzt musst du es nur noch rückgängig machen. Los, stell dir ganz intensiv vor, wie ich als ganz normales Zauberpony wieder auf der Weide bin“, fordert Lucky den Vogel auf.
„Stopp, stopp, stopp“, ruft Benny etwas panisch. „Vielleicht solltest du vorher besser landen, damit wir nicht aus der Luft abstürzen wenn deine Flügel verschwinden.“
„Oh, das ist eine gute Idee“, lacht Lucky und setzt auch gleich zur Landung auf dem Feld neben dem Wald an. Der Mäusebussard landet direkt neben ihm. „Leg los“, fordert Lucky ihn erneut auf. Der Vogel schließt seine Augen uuuuuund… nichts passiert.
„Das kann doch wohl nicht wahr sein!“, ruft Lucky. „Probier es gleich nochmal!“ Der Mäusebussard schließt wieder seine Augen. Alle warten gespannt. Aber es passiert wieder nichts. „Vielleicht kann ich doch nicht zaubern“, sagt der Bussard traurig. „Doch, das kannst du, vertrau dir selbst“, ertönt es da plötzlich aus der Höhe. Es rauscht in der Luft und dann landet ein alter, weißer Mäusebussard auf dem Feld.
„Großmutter“, ruft der junge Bussard freudig, „wie gut, dass du da bist. Du musst mir helfen!“
„Ich habe gespürt, meine Enkelin, dass deine Zauberkräfte erwacht sind. Ich brauche dir nicht zu helfen, du kannst das alleine. Ich kann dich aber unterstützen!“ Der große Vogel legt seinen riesigen, weißen Flügel auf den Jungvogel. Der schließt nochmals die Augen und stellt sich ganz intensiv Lucky als normales Zauberpony vor. Für einen kleinen Moment steht die Luft still und man hört keinen Mucks. Dann knistert es einmal in der Luft und Lucky ist wieder ein normales Zauberpony ohne Flügel und bunte Mähne. Alle klatschen begeistert in die Hände bzw. die Flügel und Freddie, der alles aus der Ferne beobachtet hat, lässt freudig seinen Motor aufheulen. Was für ein aufregender Tag! Lucky und Benny verabschieden sich von den beiden Vögeln und galoppieren bzw. fahren mit ihren Freunden erleichtert Richtung Heimat. Vorher hat Lucky aber den jungen Vogel gebeten, so etwas nie wieder zu tun! Der hat gelacht und versprochen, jetzt bei seiner Großmutter in die Lehre zu gehen und die Zauberei nur noch gezielt einzusetzen. Das hat Lucky sehr gefreut. Und insgeheim findet Lucky es auch total klasse, dass er jetzt noch ein Zauberwesen in der Umgebung kennt. Wer weiß, was sie zusammen noch für Abenteuer erleben werden…